Angela Merkel ist in Indien - zusammen mit Forschungsministerin Schavan und einer großen und prominent besetzten Delegation - und natürlich ermuntert sie die indische Industrie in Deutschland zu investieren, natürlich bietet sie deutsche Investitionen, Technologie und Know how an, natürlich spricht sie über Klimaschutz. Und propagiert eine Weltformel für die Umwelt!

Ein Durchbruch, eine Zeitenwende ist die Weltformel für die Umwelt, die Angela Merkel in ihrer Rede am 30.10. in Neu Delhi aufstellt: “Jeder Mensch hat das gleiche Recht auf Emission“. Das erinnert an “One Man, One Vote” und stellt Emission in den Kanon der Menschenrechte. Verschmutzung als Menschenrecht, die Idee liegt auf der Hand und Angela Merkel ist nicht die erste. Aber sie ist die deutsche Bundeskanzlerin und also die verantwortliche Regierungschefin einer der größten Umweltverschmutzernationen. Das ist ein Angebot, ein Risiko, ein Versprechen, eine Selbstverpflichtung und keine Eintagsfliege. “Anders werden wir uns nicht einigen können.”, sagt die Bundekanzlerin.

Wie könnte es weiter gehen? Die Wissenschaft ist gefordert. Die Frage lautet: Wieviel CO2-Emission verträgt die Erde, damit ein Klima so erhalten bleibt, dass menschliches Leben auf dem Planeten angemessen möglich ist? Die Antwort wäre eine Mengenangabe in Tonnen pro Jahr, die sicherlich nicht wirklich präzise sein kann, aber eine Orientierung. Diese Menge geteilt durch die Weltbevölkerung ergibt den fairen individuellen CO2-Fußabdruck. “Die Weltbevölkerung umfasste im April 2007 rund 6,6 Milliarden Menschen und wird bei einem Wachstum von 78 Millionen pro Jahr bis Juli 2008 etwa 6,7 Milliarden erreichen“. Die nationale CO2-Emission ergibt sich aus der Einwohnerzahl.

CO2-Angaben gehören dann so selbstverständlich zur Produktinformation wie die Kalorienangabe auf der Lebensmittelverpackung. Und jeder wird in die Lage versetzt, seine persönliche CO2-Emission zu ermitteln. In Autohäusern findet man schon CO2/km in Gramm. Wieviel CO2 wird aber emittiert für die Herstellung einer CD, eines Sonnenschirms, einer Zahnbürste?

Was bedeutet diese Weltformel der Umwelt für die Industrienationen, die Schwellenländer, die Entwicklungsländer? Und schliesslich für Deutschland: Wir werden profitieren. Deutschland hat jahrzehntelange Expertise mit Entwicklung und Verbesserung von Umwelttechnologien, ist glaubwürdig, hat ein intensives kulturelles Bedürfnis, ausgereifte Produkte. Sehen die anderen das auch so? Das ZDF sprach in seiner sehr interessanten Gesprächsreihe “Träumen für Deutschland” mit Wangari Maathai, Friedensnobelpreisträgerin und stellvertretende Umweltministerin von Kenia, für die Umweltschutz ein deutscher Traum ist. In dem ausserordentlich hörenswerten Gespräch sagt Frau Maathai:
“Die Menschen in Deutschland sind dafür bekannt, dass sie die Umwelt lieben. Sie sorgen für ihre Umwelt und haben viel für ihre eigenen Wälder getan. Ich wünschte, sie würden diese Vision nun auch auf andere Regionen der Welt ausdehnen. Ich glaube, dass Deutschland jetzt die Chance hat, in der EU und der Gruppe der G8-Staaten eine Führungsrolle zu spielen, wenn es um die Förderung von nachhaltiger Entwicklung in anderen Ländern geht.”

Das Gespräch fand schon im August 2005 statt. Maathai wird sich sehr über Merkels Worte gefreut haben.

Auszüge aus der Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Deutsch-Indischen Wirtschaftsforum “India ‑ Germany: Shaping a New Global Partnership“, Di, 30.10.2007, Neu-Delhi:

“Meine Damen und Herren, wir müssen uns überlegen, inwieweit wir eine faire Zusammenarbeit zwischen den aufstrebenden Ländern, den Entwicklungsländern und den entwickelten Ländern erreichen. Das Thema Klimaschutz ist aus meiner Sicht ein sehr gutes Thema, um gemeinsame Verantwortung zu erlernen. Wir haben ja die schöne Überschrift “gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortlichkeiten”. Diese Überschrift ist richtig, aber sie sagt natürlich über den Gang der Dinge noch nichts aus. Deshalb, so glaube ich, ist die Frage, wie wir zu multilateralen Abkommen im Klimabereich kommen, von allergrößter Wichtigkeit. Indien gehört heute angesichts seiner Bevölkerungszahl noch zu den Ländern, die eine geringe Pro-Kopf-Emission haben. Aber was das Gesamtvolumen anbelangt, ist Indien auch schon nicht mehr zu vernachlässigen. Ich glaube, wir sollten hier gemeinsam beweisen, dass wir willens sind, ein faires Abkommen für die Zeit nach 2012 zu schließen.

Der indische Premierminister hat mich darin bestärkt bzw. hat selber den Gedanken ausgesprochen, dass eine gerechte Entwicklung auf der Welt langfristig nur möglich ist, wenn jedem Menschen das gleiche Recht auf Emission zugestanden wird. Anders werden wir uns nicht einigen können. Wie wir aber auf einem vernünftigen Pfad zu dieser Entwicklung kommen, darüber müssen wir sprechen. Da werden die Themen Technologietransfer, Verbesserung der Energieeffizienz und Vermeidung von Fehlern, die wir in den entwickelten Industrieländern gemacht haben, natürlich von allergrößter Wichtigkeit sein. Das ist auch einer der Gründe, warum sowohl die wissenschaftliche Kooperation als auch die Entwicklungskooperation als auch viele Wirtschaftsprojekte jetzt genau in diese Richtung gehen. Wenn Sie BASF im Lande haben, werden Sie etwas über Prozesstechnologie auf Weltspitzenniveau lernen können. Auch wenn Sie im Energiebereich, bei den erneuerbaren Energien, mit uns zusammenarbeiten, haben wir viele Erfahrungen beizusteuern. Insofern glaube ich, dass wir hier auf einem guten Weg sind.”

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3 Antworten zu “Faire Verschmutzung”
  1. Fischer sagt:

    * Die Wissenschaft ist gefordert. Die Frage lautet: Wieviel CO2-Emission verträgt die Erde, damit ein Klima so erhalten bleibt, dass menschliches Leben auf dem Planeten angemessen möglich ist?*
    Das ist nur eine der wesentlichen Fragen, die anderen funktionieren nach dem gleichen Muster: Wieviel Wasserverbrauch, wieviel Landwirtschaft, wieviele Schadstoffe etc. verträgt die Erde…

    Die Antworten sind zumindest von der Größenordnung her längst bekannt. Es ist auch nicht weiter schwer, sich die entsprechenden Daten selbst zusammenzustellen, wenn man an Scifinder und ne gute Uni-Bibliothek rankommt.

    An das Gesamtbild traut sich nur niemand ran, weil keiner die direkten Schlussfolgerungen mit seinem Namen verknüpft haben möchte. Würde ich auch nicht wollen.

    Deswegen tun alle so, als könnte man die Probleme alle separat und schön nacheinander behandeln.

  2. Reinhard Karger sagt:

    @Fischer: Merkels Weltformel gilt analog natürlich für jede Form der Umwelt-Inanspruchnahme.

    Wenn die Antworten von der Größenordnung her bekannt sind, ich kenne sie nicht, weiss nur, dass wir und jeder von uns auf Kosten der anderen morgens mit bestem Wasser duschen. Wie viel Trinkwasser etc. könnte jeder verbrauchen, ohne den Planeten zu sehr zu belasten?

  3. Fischer sagt:

    Das durch die verschiedenen Alltagsprodukte verbrauchte, sog “virtuelle” Wasser (das natürlich real ist, irgendwo auf der Welt) beläuft sich schon auf über 4000 Liter Pro Tag. Da kommen nochmal etwa 1000 Liter für die Energieversorgung drauf.

    Insofern ist der eigentliche Trinkwasserverbrauch gar nicht das Problem, sondern die wasserintensive (Land-)Wirtschaft weltweit. Nach einer Rechnung könnte eine weltweit nachhaltige Wasserwirtschaft nur viereinhalb Milliarden Menschen ernähren.

    Das liegt z.B. an den ganzen Bewässerungsflächen, die mit fossilen oder nur langsam erneuerbarem Wasser werden. Im Moment leben wir von der Substanz, wassermäßig. Die langfristig erneuerbar zur Verfügung stehende Wassermenge reicht für unseren Nahrungsbedarf nicht aus.

    Das wird sehr schnell sehr deutlich werden, wenn die Gletscher in Südamerika erstmal futsch sind

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