Das Wort bewirkt viel, das Leiden viel mehr. Globale Veränderungen ergeben sich nur als Antwort auf globale Betroffenheit. Troja hin oder her: Kassandra warnte zu recht, aber sie hatte zu wenig Zuhörer. Kassandra ist und bleibt eine Spielverderberin. Der Bericht des Club of Rome schob 1972 die Umweltbewegung in Deutschland an. Ideen, Gedanken wurden diskutiert und reflektiert, reichten aber nicht für den ökologischen Neustart; Tschernobyl war 1986 eine Nuklearkatastrophe von kontinentaler Dimension, aber bewirkte nicht das weltweite Ende der Kernkraftwerke. Erst weltweiter kalter Angstschweiß und erlebtes Desaster eröffnen die Chancen, dass Leitplanken definiert, Handlungsspielräume weltweit verändert werden.

Der Klimawandel zeigt die Grenzen des umweltvergessenen Wirtschaftens - die Konsequenzen bedrohen menschliche Lebensbedingungen. Die Finanzkrise erschüttert den Turbokapitalismus, den Glauben an die Selbstheilungskräfte der freien Märkte - strukturierte Finanzprodukte entziehen sich der Kalkulierbarkeit, erzeugen unbeherrschbare Risiken. In beiden Fällen ist kollektive Maßlosigkeit die Wurzel. Die Krisen zeigen die Grenzen und beweisen die Realität der Abgründe, von denen Umweltaktivisten und soziale Markwirtschaftler seit mehr als 35 Jahren sprechen. Der Kollaps liegt noch in der Luft, nun gilt es, die Chance zu ergreifen. Gier und Geiz geht´s an den Kragen.

Große Probleme, große Worte. Die Suche nach einer globalen Finanzverfassung könnte zu wirklich großen Taten führen. Und es scheint ernst zu sein. Konferenzen wird es geben und vielleicht auch gute Ideen. Vorschlag:

Die Weltwirtschaft ist ein geschlossenes System, mit begrenzten Ressourcen, die verantwortungsvoll zu nutzen sind, mit Spielräumen für faire Renditen und Grenzen für Exzesse; dabei ist vielleicht Wohlstand für alle möglich, sicherlich nicht Luxus für jeden. Ökonomie und Ökologie sind eine Medaille. Die neue Weltfinanzordnung steht auf fünf Säulen; jede Maßnahme, jede Idee wird betrachtet hinsichtlich: Rechtsstaatlichkeit, Privatbesitz, soziale Gerechtigkeit, Umweltverträglichkeit und Internationalität.

Diese Säulen der Weltwirtschaft definieren die Leitplanken der neuen Weltfinanzordnung:
Zur Rechtsstaatlichkeit gehört das berechtigte Vertrauen in die Gleichheit vor dem Gesetz, die freie und öffentliche Meinungsäußerung, die Gültigkeit von Verträgen, der Kampf für Transparenz und gegen Korruption. Berater müssen über Risiken umfassend und verständlich informieren. Verbraucher müssen die Konsequenzen ihrer Entscheidungen verstehen können.

Privatbesitz ist wesentliche Voraussetzung und Antrieb für wirtschaftliches Handeln. Ihn zu garantieren - verbunden mit der Chance auf Wohlstand - ist eine Verbeugung vor dem unbedingten Ich, das strebt, das aber auch etwas will für sich oder seine Familie.

Soziale Gerechtigkeit will faire Markt- und Bildungschancen für alle, will Verteilungs- und Chancengerechtigkeit, befördert den Wettbewerb der Ideen und Talente, belohnt Einsatz, Wille und Leistung.

Umweltverträglich sind Handlungen und Dinge, wenn sie natürliche Ressourcen maßvoll in Anspruch nehmen, wobei das Maßlose erkennbar sein muss. Die Produzenten müssen Umweltkosten von Produkten zugänglich machen.

Internationalität steht für die globale Gültigkeit der Wettbewerbsregeln, der Grenzwerte, der Regulierungen, der Ratings, der Bilanzierung. Durch die grenzüberschreitenden Geld-, Waren-, Kommunikationsströme müssen nationale und internationale Absprachen widerspruchsfrei gleichen Standards genügen.

Manches wird aus der Zeit fallen: Exorbitante Angestelltengehälter und Boni sind sicherlich nicht sozial gerecht; der Wochenendtrip nach London nicht umweltverträglich. Steueroasen sind zwar umweltverträglich und aktuell noch international verbindlich, aber sie unterminieren soziale Gerechtigkeit, bevorzugen einseitig die privaten Vermögen und gehören in die Vergangenheit. Protektionismus muss beseitigt und Handelsschranken müssen hinterfragt werden.

Financepeace kommt. Das Feld ist bereitet, die Hauptrollen sind besetzt, bis auf Obama, der muss erst noch gewählt werden. Eine größere Chance für eine gerechtere Finanzweltpolitik gab es nicht mehr seit 1989 - da hätte man mehr tun können als Deregulierung und freie Märkte zum Sieger auszurufen. Heute sitzt allen der Schreck in den Knochen: Bush fordert die Erhaltung des Fundaments des demokratischen Kapitalismus; Sarkozy fordert die Schaffung des Kapitalismus des 21. Jahrhunderts; Barroso stellt fest: Wir brauchen eine neue globale Finanzordnung! Bloomberg, 18.10.2008:
“It is essential we preserve the foundations of democratic capitalism,” Bush said.

“We want to work hand in hand with the Americans to create the capitalism of the 21st century,” Sarkozy said.

Barroso said an “unprecedented level of global coordination” is needed to address market instability.
“The international financial system — its basic principles and regulations and its institutions need reform. We need a new global financial order.”

Financial Times, 22.10.: G20-Gipfel am 15. November in Washington - Finanzkrise im Zentrum

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